22. Januar 2021

Corona und Biowein, 2020, ein besonderer Jahrgang

 

Corona in 2020 als Katalysator für den ökologischen Weinanbau

Die Corona-Pandemie wirkt in vielen Bereichen wie ein Katalysator für die Umsetzung von zuvor nur guten Absichtserklärungen. Es geht doch sehr vielen Menschen um eine höhere Wertschätzung der Natur, um die Stabilisierung der Koexistenz von Mensch und Umwelt. Dieses Bewusstsein ist dem ersten Corona-Jahr 2020 deutlich gewachsen. Wir bewegten uns mehr in der Natur und das in unserer unmittelbaren Umgebung, eben heimatnah. Und da fügt sich der ökologische Weinanbau ein. Im Corona-Jahr 2020 haben viele Stammkunden der Biowinzer weniger Wein persönlich bei ihrem Winzer abholen können. Sie orderten aber ihre Bestellungen vermehrt online über die Homepages ihrer Lieblingswinzer. Für die CO2-Bilanz die bessere Variante der Eigenversorgung mit ökologischen Produkten.

 

2020, Corona und Biowein, ab in den Discounter

Zusätzlich konnten gerade Winzer mit ökologischem Anbau ihr Angebot im unteren Preissegment in den Supermärkten und Discountern ausweiten, viele platzierten ihre Weine zum ersten Mal dort. Somit dürften die meisten Biowinzer auch 2020 ein weiteres Plus bei ihren Umsätzen erwirtschaftet haben. Auch wenn Spitzenprodukte ihres Weinsortiments durch die verminderte Abnahme der Gastronomie und einen eingebrochenen Export zunächst in den Lagern liegen geblieben sind. Das dürfte der Reifung dieser oft besonderen Tropfen nur gut tun. Für viele Winzer sind die 2020 verbleibenden Schätze in ihren Weinkellern eine wirtschaftliche Sicherheit für die nächsten Jahre.

 

Das Weinjahr 2020, trotz Corona ein gutes Jahr für deutsche Winzer

Der Deutsche Wetterdienst stuft 2020 mit einer Durchschnittstemperatur von 10,4 Grad Celsius als das zweitwärmste Jahr knapp hinter dem Rekordjahr 2018 mit 10,5 Grad ein. Es ist das zehnte Jahr in Folge, in dem die durchschnittliche Jahrestemperatur das vieljährige Mittel übertraf und es ist das dritte zu trockene Jahr in Folge.

Nach der zweitfrühesten Blüte seit Aufzeichnungszeit in Deutschland und einem trockenen Sommer und Herbst 2020 haben sich die Trauben sehr gut entwickelt. Besonders ältere Rebstöcke mit ihren oft über 5 Meter tiefen Wurzeln haben die geringen Niederschlagsmengen sehr gut verkraftet. Zu Jahresanfang waren zunächst durch reichliche Niederschläge Reserven in der Bodentiefe angelegt worden. Anders als 2019 mit regional regnerischen Sommertagen gab es in dem trockenen Sommer 2020 in Deutschland kaum Pilzerkrankungen der Reben oder Fäule der Trauben. Besonders die ökologisch anbauenden Winzer hatten es einfacher. Natürlich gab es, abhängig von der Zeilenrichtung, vereinzelnde Sonnenbrandschäden aufgrund der heißen Septembertage. Damit müssen alle Winzer im Rahmen der Klimaveränderung rechnen und ihre Blattrückschnitte entsprechend ausrichten. Zum Schutz der Reben vor Trockenstress war teilweise eine Stockentlastung notwendig. Die Winzer sind bereits aus den letzten Jahren einen frühen Lesebeginn bei den heißeren Sommertemperaturen gewohnt, die Lese der Rieslinge begann bereits Mitte September. An der Nahe und in der Pfalz herrschten dabei Temperaturen bis zu 33 Grad. Die Lese der Trauben für Federweißer und zur Versektung begann regional bereits Anfang August. Durch die Corona-Situation mussten einige Winzer bei der Organisation der Lesehelfer umdisponieren, vermehrt lokal ansässige Lesehelfer wurden hinzugezogen. Manche Helferinnen und Helfer fanden sich spontan über Social Media, WhatsApp oder regionale Rundfunkaufrufe. Der nasskalte Oktober brachte dann schwierigere Leseverhältnisse für die Spätlesen und Nachzügler wie Regent und die Auslesen des Rieslings. Nur die geduldigen und mutigen Riesling-Winzer ließen ihren Trauben dann doch noch die wichtige Oktobersonne zukommen, die notwendigen goldenen Oktobertage kamen spät. Wer die späte Ernte nach vielen Regentagen wagte, dürfte die perfekte Reife seiner Riesling-Trauben erreicht haben. Durch die erhöhten Temperaturen während der Lese im September wurden Nachtschichten für die Erntehelfer und Frühschichten für die Arbeiten bei der Handverlese notwendig, sowie eine Kühltechnik im Kelterhaus. Sie gehört bei vielen Winzern, falls sie nicht gerade in tiefen Kellergebäuden keltern, bereits zum Standard. Nur dadurch kann die für deutsche Weine typische Frische bei vielen weißen Weinen erhalten bleiben. Die weißen Sorten werden 2020 mit sanfter Säure und fruchtiger Frische brillieren. Belohnt werden die Winzer mit besonders hohen Oechslezahlen, 75 Prozent der Erntemenge können zu Prädikatsweinen ausgebaut werden. Die Weine haben besonders fruchtige Noten und zeigen viele Aromen. Aber besonders die Roten haben von der warmen Witterung 2020 profitiert. Geprägt von tiefroten Farben, dichten Farbreflexionen und intensiven Aromen, werden gehaltvolle Weine einen großen Jahrgang ergeben.

Dafür ernteten Winzer 2020 vollreife Trauben mit milder Säure. Die rechtzeitige Lese führte zu moderaten Alkoholgehalten. Besonders bei roten Weinen ergaben sich hervorragende Färbungen. Von den deutschen Rotweinanbaugebieten wie Pfalz und Ahr werden Spitzenweine im roten Segment erwartet.

 

2020, neue Online-Aktivitäten der Winzer im Lockdown

Nachdem im Frühjahr 2020 viele Winzerevents nicht stattfinden durften und in den Vinotheken Ruhe herrschte, fanden viele Sommerveranstaltungen rund um den Wein unter Einhaltung der Sicherheitsauflagen und Abstandsregeln statt. Die Besucherzahl war dadurch jedoch deutlich geringer als in früheren Jahren. Der Lockdown im Winter 2020 kam dann eigentlich mit Ankündigung. Die Winzer hatten sich da bereits einiges einfallen lassen.

So zum Beispiel die virtuelle Weinprobe: Dazu konnte man sich bei einigen Winzern zu festen Zeiten im Internet zuschalten, wenn man vorab das dazugehörige Sortiment des einzelnen Winzers bestellt hatte.

Andere Winzer haben ihre Lieblingsrezepte per Newsletter versendet, sie bekamen viele positive Rückmeldungen. Gemeinsames Kochen wurde sogar auf Facebook live übertragen.

Viele Biowinzer boten meist ab November 2020 einen Adventsrabatt von etwa zehn Prozent ab bestimmten Einkaufsmengen an. Oft zu finden war auch das sogenannte 6+1-Angebot. Oder sie schnürten für ihre Stammkunden ein besonderes Winterpaket mit Weinen ihrer Empfehlung für diese Zeit, natürlich zum Sonderpreis.

Statt der häufig üblichen Winterveranstaltungen auf den Winzerhöfen wurden vermehrt virtuelle Führungen durch das Weingut angeboten.

 

Corona und mehr ökologischer Wein

Beim Weinkonsum müssen wir Menschen ein Gleichgewicht halten zwischen der Menge, die für uns gut ist, und einer unbekömmlichen Menge. Eigentlich ist das nicht nur bei Genussmitteln so. Bei allen Lebensmitteln haben wir in diesem Corona-Jahr einen höheren Einfluss auf die Zusammensetzung unserer Ernährung bekommen. Für viele Menschen blieb durch die Bindung an ihr Zuhause mehr Zeit für die eigene Zubereitung ihrer Speisen. Kantinen, Mensen und viele Restaurants waren immer wieder geschlossen und wurden aus Vorsicht geringer frequentiert.

Verköstigung zu Hause, vermehrt aus ökologischem Anbau

Über 80 Milliarden Euro gaben die Deutschen pro Jahr vor 2020 für die Verköstigung außer Haus aus, das sind etwa 1000 Euro pro Kopf. Diese Bewirtung außer Haus erfolgte überwiegend ohne Zutaten aus ökologischem Anbau. Zunehmend nutzen gehobene Restaurants die geschmacklichen Vorteile von ökologisch angebauten Gemüse und Obst bei der Wahl ihrer Zutaten. Kein Gast wird die Deklaration „aus ökologischem Anbau“ als negativ empfinden. Diese Restaurants und auch einige Hotels und Wein-Bars bestücken ihre Weinkarte zunehmend mit biologisch hergestellten Weinen.

Da immer mehr deutsche Spitzenwinzer auf natürlichen Anbau setzen, erfolgt die biologische Revolution bei Betrachtung der Preissegmente von oben nach unten, ähnlich wie bei Elektrofahrzeugen.

 

Corona-Jahr, der Anteil ökologisch produzierter Weine steigt

Der durchschnittliche Ladenpreis im Einzelhandel einschließlich Discounter für eine 0,7 Liter Flasche Wein lag in Deutschland 2018 bei 2,20 Euro. Der Einkaufspreis einschließlich Bestellungen online bei 3,23 Euro in 2017, der für biologisch hergestellten Wein bei 5,31 Euro. Die deutschen Weinkonsumenten wählen bei Bioweinen in über 50 Prozent der Fälle in Deutschland produzierte Ware, mit weiter steigendem deutschen Marktanteil. Auch weltweit steigt entgegen dem stagnierenden Weinumsatz der Absatz von Bioweinen. 2021 betrug er 676 Millionen Flaschen, die Prognose des IWSR in London für 2022 lautet 1 Milliarde Flaschen. Das wären etwa 3,5 Prozent des Weinweltmarktes. Bisher wurden 23 Prozent der weltweiten Bioweinprodukte in Deutschland abgesetzt, gefolgt von Frankreich mit 16 Prozent. Die mit Bio-Reben bestückten Flächen steigen weltweit jährlich deutlich an. 28 Prozent der weltweiten Anbaubereiche für Biowein befinden sich in Spanien, 24 Prozent in Italien und 19 Prozent in Frankreich. Der Anteil an Bioschaumweinen steigt dabei überproportional. Ebenso ist die Wertschöpfung je Flasche mit 14 Euro überproportional.

 

Bewusstsein für ökologischen Weinanbau, aber auch der Preisdruck auf die Bioweine steigt in 2020

Das Bewusstsein für ein weiteres Qualitätskriterium „aus biologischem Anbau“ steigt besonders bei jüngeren Weinkonsumenten und bei Frauen. Frauen sind in den Supermärkten die Hauptabnehmer für Wein, somit baut sich dort bei steigendem Angebot für Bioweine auch ein Preisdruck auf diese Weine auf. Dort finden nahezu nur Bioweine mit einem Preis unter 10 Euro Akzeptanz. Dieser Trend hat sich in 2020 noch verstärkt. Da viele übliche Vertriebskanäle für biologisch anbauende Winzer weggebrochen sind, drängen auch Spitzenhersteller von Bioweinen mit ihren Bioprodukten in den Lebensmitteleinzelhandel und erhöhen somit den Preisdruck. Hochpreisige Bioprodukte, die bisher über spezielle Vertriebsnetze in die Gastronomie und in den Export gelangten, bleiben 2020 in erheblichen Mengen zunächst in den Lagern der Winzer, obwohl der Umsatz mit Biowein in Deutschland in den letzten Jahren um etwa zehn Prozent jährlich steigt. Der Absatz von Bioweinen besonders im unteren Preissegment nahm 2020 in Supermärkten, Discountern und im Online-Handel deutlich zu. Insgesamt hat die Corona-Pandemie im ersten Quartal 2020 zu einer Absatzsteigerung von Wein im ersten Halbjahr 2020 von etwa 12 Prozent geführt. Noch etwas höher lag das Absatzplus für Weine von deutschen Winzern. Dagegen brach der Absatz der deutschen Weingüter an die Gastronomie um 50 Prozent ein, der an den Fachhandel um 25 Prozent und der im Export um etwa 35 Prozent. Die Direktvermarktung gestaltet sich für die Winzer in 2020 schwieriger. Davon betroffen waren einige Biowinzer mit ihrer speziellen Anhängerschaft. Auch die vielen ausgefallenen Verkostungen, Weinpräsentationen und Weinfeste reduzierten den Kontakt von Winzern zu ihren Abnehmern. Außer bei Weinen im höheren Preissegment konnte jedoch zusätzlich zu den höheren Absätzen im Einzelhandel eine Steigerung des Onlineabsatzes um etwa 15 Prozent einen Teil der finanziellen Verluste der Winzer auffangen oder sogar vollständig ausgleichen.

 

Corona-Weinjahr 2020, unterdurchschnittlich in der Menge, überdurchschnittlich in der Qualität

Das Weinjahr 2020 ist in Deutschland im Ertrag mit etwa 8,6 Millionen Hektolitern leicht unterdurchschnittlich aber immer noch höher als 2019. Durch den trockenen Sommer und den warmen September ist 2020 ein sehr gutes Weinjahr in Deutschland geworden. Der Zuckergehalt ist hoch und die Lesereife war früh erreicht. Teilweise begann die Ernte besonders für Federweißer und für die Sektgrundweine bereits Anfang August. Gewisse Ernteverluste ergaben sich bei der heißen Septemberwitterung durch die Verdunstung in den Beeren. Die Aromaausbildung der Trauben durch warme Herbsttage mit kühlen Nächten dürfte hervorragend werden. Zusätzliche Nachtfröste in einigen Regionen führten regional aber zu Verlusten bei der Erntemenge. So ist die Erntemenge in Franken mit 22 Prozent, Sachsen mit 19 Prozent, Saale-Unstrut mit 14 Prozent und in Baden mit 11 Prozent gegenüber den langjährigen Mittelwerten reduziert, unter anderem durch Nachtfröste, aber auch durch Spätfröste im Frühjahr bei der Blüte. Andere Regionen haben ein leichtes Plus in der Erntemenge, die Ahr sogar eines von nahezu 20 Prozent und die Mosel und der Mittelrhein soger etwa 30 Prozent.